“Dieses Jahr hat mir Selbstbewusstsein gegeben”

“Es ergeben sich jeden Tag verschiedene Aufgaben”: Raphaels Alltag bei der ISA ist vielfältig (Foto: Raphael Habel).

Mitte Mai fand in Freiburg die Jobmesse Gesundheit & Pflege statt. Unser BFDler Raphael Habel (26) beantwortete in diesem Rahmen bei einem öffentlichen Interview auf der Aktionsbühne in den Messehallen Fragen über den Freiwilligendienst im Allgemeinen und bei der AWO im Speziellen.  

Was hat Dich dazu bewogen, einen Freiwilligendienst zu absolvieren?

Die Idee, einen Freiwilligendienst zu absolvieren, trage ich schon länger mit mir herum. Ich bin 26. Nach dem Abi hatte ich diese Option nicht wirklich auf dem Schirm, aber im Laufe der letzten Jahre habe ich immer wieder Menschen getroffen, die nach dem Abi einen Freiwilligendienst abgeleistet haben und war von ihrer Entscheidung und den daraus resultierenden Erfahrungsberichten sehr beeindruckt. Hinzu kam das Gefühl, nach Jahren an der Uni, die in der Regel sehr theoretisch und PC-intensiv waren, etwas komplett anderes zu tun, und zwar am besten eine unmittelbar sinnvolle Arbeit.

In welchen Arbeitsbereich wirst Du bei der AWO eingesetzt?

Ich arbeite bei der ISA, der Individuellen Schwerstbehinderten-Assistenz. Wie der Name schon sagt, ist das eine ambulante 1-zu-1 Assistenz für Menschen, die aufgrund verschiedener Einschränkungen nicht mehr in der Lage sind, selbstständig ihren Alltag zu bewältigen. Ich bin bei der ISA als Springer eingesetzt und bin deshalb in verschiedenen Einsätzen unterwegs. Die meisten Assistenznehmer sind Menschen mit Querschnittslähmung, aber ich habe beispielsweise auch schon in einer Inklusions-Kita ausgeholfen.

Was sind dabei Deine Aufgaben?

Je nach Einsatz und Art der Einschränkung sind die Aufgaben recht unterschiedlich. Bei meinem Assistenznehmer, bei dem ich die meisten meiner Einsätze habe, beginnt der Tag mit dem Anreichen von Medikamenten, Morgengymnastik und dann assistiere ich bei der morgendlichen Hygiene. Nach Ankleiden und Frühstück richten, beginnen wir den Tag zusammen beim Frühstück und dann ergeben sich jeden Tag verschiedene Aufgaben. Man ist Mobilitätshilfe, führt den Haushalt, erledigt Einkäufe und assistiert bei den Terminen, die anfallen. Jeder Tag und Einsatz ist anders, und es bleibt auch viel Zeit um sich zu unterhalten und kennenzulernen.

Was kannst Du aus Deinem Freiwilligendienst für Dich mitnehmen?

In einer Recht unsicheren Zeit zum Ende des Studiums, kam der BFD für mich gerade recht, um sich zu sammeln und zu schauen wie es weitergeht. Aber ich habe auch in meinen Einsätzen inspirierende Menschen getroffen, Lebensentwürfe kennengelernt, und sehr eindrückliche Gespräche geführt. Von der „Erweiterung des Horizonts“ ist ja oft im Zusammenhang mit Freiwilligendiensten die Rede und bei mir trifft diese Metapher recht gut zu. Dieses Jahr hat mir auch Selbstbewusstsein gegeben, sich erfolgreich in ein ungewohntes Arbeitsumfeld einzuarbeiten. Und darüber hinaus macht es auch einfach viel Spaß und ich habe viele schöne Erinnerungen machen können.

Was war für Dich das schönste Erlebnis in diesem Rahmen?  

Besondere Momente sind natürlich solche, in denen man über den reinen Dienst als Assistenzkraft hinausgehen kann. Einmal zum Beispiel habe ich einem Freund von meinen Aufgaben und meinem Alltag im BFD erzählt, und, da ihm mein Bericht sehr vertraut vorkam, hat sich herausgestellt, dass er vor 15 Jahren bei der gleichen Person ein Sozialpraktikum gemacht hatte. Ich habe dann vorgeschlagen, dass er beim nächsten Einsatz doch einfach vorbeikommen solle und es wurde ein richtig schöner Moment: Der Assistenznehmer war völlig überrascht, die beiden haben sich tierisch gefreut, sich mal wiederzusehen und für mich hat es sich schön angefühlt, die beiden zusammengebracht zu haben.

Warum lohnt es sich aus Deiner Sicht, ein FSJ oder BFD zu absolvieren?

Ich glaube, ein Freiwilligendienst lohnt sich auf ganz vielen Ebenen. Besonders nach dem Abi ist das ein Jahr, in dem man sich selbst gut orientieren kann. Was interessiert mich? Was möchte ich mal tun? Und nebenher hat man eine sinnvolle Arbeit, die den Alltag auch ein bisschen strukturiert.

Aber auch für junge Leute, die bereits fest wissen, was sie auf ihrem Berufsweg erwartet, ist ein solches Jahr mit Sicherheit gut investiert. Je nach Einsatz erwirbt man Fähigkeiten, die man selbst gut gebrauchen kann: Auf Menschen einzugehen, die nicht unbedingt Mitschüler oder Kommilitonen sind, aber auch Dinge wie Selbstorganisation oder Haushaltsführung. Auf die ISA bezogen, gerade Pflegetätigkeiten werden die meisten von uns irgendwann mal in Anspruch nehmen müssen und ich glaube es lohnt sich, auch mal die andere Seite kennenzulernen. Ein BFD/FSJ ist außerdem eine großartige Gelegenheit, Bekanntschaften zu machen und interessante Menschen kennenzulernen, denen man sonst im Alltag nicht selbstverständlich über den Weg läuft.


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